Wissen mittels FMEA effizient Managen

FMEA wird in erster Linie mit dem technischen Risikomanagement in Verbindung gebracht. Dies ist von der Zielsetzung auch vollkommen richtig. Es verleitet aber den Kern des Risikomanagements zu übersehen:

In einem technisch geprägten Umfeld ist Unwissen mit Risiko gleichzusetzen. Das Generieren von Wissen bzw. der Zugriff auf Wissen ist der goldene Weg zur Minimierung von Risiken.

Dieser Zusammenhang lässt sich aus meiner Sicht prägnant formulieren: „A Knowledge Gap is a Risk – and a Risk is a Knowledge Gap“.

Nun ist der strukturierte Ansatz der FMEA mit definierten 7 Schritten ein hocheffizienter Weg Wissen/Nichtwissen darzustellen und gezielt Wissenslücken zu schließen (Vermeidungs- und Entdeckungsmaßnahmen.)

Konkret:
Schritt 1: Planung und Vorbereitung

Abb. 1 Schritt 1 der FMEA (Quelle: D-FMEA Arbeitsbuch von Dietz Consultants)

Die Wissensaspekte dieses Schrittes beinhalten:
  • Block-Boundary-Diagramme (Freischneiden des Analyseobjektes)
  • Identifikation von Schnittstellen des Analyseobjektes nach Innen und Außen
  • Kategorisierung dieser Schnittstellen (Austausch von Energie, Signale, Material; Physikalischer Kontakt, Mensch-Maschine-Schnittstelle

Schritt 2: Strukturanalyse:

Abb. 2 Schritt 2 der FMEA (Quelle: D-FMEA Arbeitsbuch von Dietz Consultants)

Das Analyseobjekt wird in funktionale Subsysteme, Komponenten und Bauteile dekomponiert. Wissensintensiv ist dabei in besonderer Weise ein funktionales Systemverständnis zu entwickeln – vor allem gegenüber etabliertem Abteilungs- und Stücklistendenken. Dies ist eine besondere Wissensherausforderung für technische Systeme mit intensiven Softwareumfängen und/oder solchen die besonders mediengetrieben sind (Luft, Wasser, etc.).

Schritt 3: Funktionsanalyse

Abb. 3 Schritt 3 der FMEA (Quelle: D-FMEA Arbeitsbuch von Dietz Consultants)

Hierbei geht es um die Königsdisziplin des Innovation-, Risiko- und Qualitätsmanagements. Die physikalische Realität eines geplanten technischen Systems wird modelliert.

Das Lösen von der Umgangssprache ist eine notwendige Voraussetzung. Beispielsweise: Ein Kugelschreiber schreibt nicht und ein Auto wird nicht vollgetankt.

Das Verknüpfen der Funktionen über alle Ebenen des technischen Systems ist der Kern des Wissensmanagements.

Das nahezu vollständige Verstehen der funktionalen Aufteilungen auf Subsysteme ist erforderlich. Die Herausforderung des exakten Umgangs mit Sprache ist vergleichbar mit dem Entwickeln von Pflichte- oder Lastenheften oder Designspezifikationen im Rahmen von Entwicklungsprojekten. Die FMEA verifiziert die Designspezifikationen.

Eine besondere Herausforderung stellt der strategische Umgang mit Anforderungen dar. Anforderungen definieren keine Funktionen, sondern limitieren bzw. spezifizieren diese. Werden diese Anforderungen in der Funktionsanalyse wie Funktionen behandelt, endet die FMEA in einer Katastrophe. Es werden zumeist sinnfreie Dekomponierungen vorgenommen, die im nächsten Schritt sinnfreie Ursachen-Fehler-und Folgebeziehungen darstellen.

Die FMEA wird riesig und innen leer. Beispiel: Korrosionsfreiheit gewährleisten.

Diese Anforderung kann einer Vielzahl von Systemelementen zugeordnet werden und wird im schlimmsten Fall über mehrere Ebenen „durchgeschleift“. Im nächsten Schritt vielfach eine sinnfreie Logik: Ursache: Korrosion eines Bauteils; Fehlerart: Korrosion einer Baugruppe; Folge: Korrosion des Gesamtsystems.

So bitte niemals mit Anforderungen und deren Negierung umgehen!

Schritt 4: Fehleranalyse

Abb. 4 Schritt 4 der FMEA (Quelle: D-FMEA Arbeitsbuch von Dietz Consultants)

Hier entsteht mit hohem Wissensbezug durch die Negierung von Funktionen auf allen Ebenen und deren logischen Verknüpfungen Ursache-Fehler-Folgen-Beziehungen. Dieser Schritt ist bei weitem nicht so anspruchsvoll wie die Funktionsanalyse! Soweit die Funktionen physikalisch korrekt dekomponiert wurden, ergeben sich korrekte Ursache-Fehlerbeziehungen. An dieser Stelle können negierte Anforderungen wirkungsvoll verwendet werden: Die Fehlfunktion ist nicht lediglich die Negierung der Funktion, sondern stellt Wissen dar unter welchen Bedingungen die Funktion scheitert (bspw. durch nicht Realisieren des geforderten Temperaturbereichs für die Funktion).

Schritt 5: Risikobewertung

Abb. 5 Schritt 5 der FMEA (Quelle: D-FMEA Arbeitsbuch von Dietz Consultants)

In diesem Schritt werden den Ursachen wissensintensiv Vermeidungsmaßnahmen zugeordnet und deren Wirksamkeit beurteilt. Als zweite Variable der Risikominimierung dient das Entwickeln von Testfällen zur Verifizierung der Funktionen und zur Validierung der Anforderungen. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen wird ebenfalls bewertet. Die Vermeidungsmaßnahmen decken das gesamte Spektrum des Engineerings ab.

Typische Beispiele sind Simulationen, Berechnungen, Benchmark Studien und Vieles mehr.

Allen Vermeidungsstrategien wohnt inne, dass sie Wissen generieren, welches im Rahmen des Entwicklungsprojektes genutzt wird, um die Systemauslegung robust zu gestalten.

Schritt 6: Systemoptimierung

Abb. 6 Schritt 6 der FMEA (Quelle: D-FMEA Arbeitsbuch von Dietz Consultants)

Dieser Schritt ist optional. Entsprechend der Ergebnisse des Schrittes 5 kann es erforderlich sein, erkannte Risiken weiter zu Minimieren. Dazu müssen zusätzliche Vermeidung und/oder Verifizierens/Validierungsmaßnahmen entwickelt werden. Methodisch stellt dieser Schritt keine Herausforderung dar. Inhaltlich möglicherweise die größte Herausforderung für die Entwicklungsteams.

Es müssen bislang nicht geplante weitere Absicherungen entwickelt werden. Am Ende müssen diese Maßnahmen immer die Auftretenswahrscheinlichkeiten von Ursachen und/oder verbesserte Nachweisverfahren während der Produktentwicklung enthalten.

Schritt 7: Risikokommunikation

Abb. 7 Schritt 7 der FMEA (Quelle: D-FMEA Arbeitsbuch von Dietz Consultants)

In diesem Schritt werden die vielfältigen Detailrisiken der FMEA in Übersichtswissen aggregiert und für Stakeholder (Management, Auditoren, Zulassungsbehörden usw.) aufbereitet.

Diese Form der Wissensdarstellung bevorzugt grafische Elemente, insbesondere zwei- oder dreidimensionale Risikomatrizen, um Entscheidern eine One-Page-Information mit allen wesentlichen Erkenntnissen der Risikoanalyse zu liefern.

Auch dies stellt aus meiner Sicht eine Form des Wissensmanagements dar.

Abschließend will ich nicht versäumen darauf hinzuweisen, dass Innovationen immer mit Risiken verbunden sind und es keinesfalls darum geht diese scheinbar auszuschließen. Das Risikomanagement generiert einerseits Wissen, um risikobasiert wirkungsvolle Entscheidungen zur Realisierung von Innovationen zu treffen und andererseits dem Nutzer der Innovation und anderen Stakeholdern die erwartete Sicherheit zu bieten.